Rav Uri Scherki
Das Gesetz vom "Ger Toschaw"
Übersetzung: Rafael Plaut
Original-Artikel auf Hebräisch
Das Thema um den Status der nichtjüdischen Bevölkerung unter der Herrschaft des Volkes Israel in seinem Lande gehört zu den brennenden Punkten auf unserer Tagesordnung sowohl in politischer als auch in religionsgesetzlicher Hinsicht. Das Judentum kennt die Lehre um den besonderen Status, verankert in Halacha und Midrasch, des Fremden, der in der Mitte des Volkes Israel weilt, nämlich den "Ger Toschaw" ("Beisassproselyt") - die Pflicht der Sorge um sein Wohlergehen, wobei er seinerseits die "sieben Gebote, zu denen die Kinder Noachs (Bnej Noach) verpflichtet sind", und noch weitere Regeln einzuhalten hat. Wäre es realistisch, den Status weiter Teile der Araber diesseits und jenseits der "grünen Linie" im Einklang mit dieser Halacha zu regeln, die eine Unterabteilung der allgemeinen Anleitung des Judentums für die gesamte Menschheit darstellt, die als die "Lehre der Kinder Noachs" bekannt ist? Wir können diese Frage nicht einfach ignorieren, insbesondere im Lichte zweier Tatsachen unserer Lebensrealität:
Die eine ist unsere Rückkehr nach Zion. Das Wiedererlangen staatlicher Unabhängigkeit nach einer sehr langen Unterbrechung macht uns aufs Neue zu einem Faktor im System der internationalen Beziehungen. Endlich kehrte das realistische Werkzeug zur Erfüllung unserer Bestimmung des "und es werden sich segnen mit dir alle Geschlechter des Erdbodens" (Gen. 12,3) durch "das Land, das ich dir zeigen werde" (12,1) in unsere Hände zurück.
Die zweite ist die allgemeine Verfassung der Welt. Wir befinden uns inmitten eines Kampfes der Titanen, nämlich zwischen der moslemischen und der freien Welt, d.h. am Rande eines internationalen Streites, der die Frage nach der führenden Kultur der Welt entscheiden wird. Die Welt ist würdig, das Wort G~ttes für die Menschheit von Zion zu hören, und was wir zur Besserung der Welt beitragen können.
Es ergibt sich also daraus, dass die alt-neue Religion der "Gebote der Noachskinder" als Weltbewegung mit Zentrum in Jerusalem als eine spirituelle Alternative zum Christentum und zum Islam wieder auferstehen muss. Es besteht dazu bereits eine mentalitätsmäßige Vorbereitung bei einigen wenigen Gruppen in der weiten Welt, und wenn wir mit Einsicht und Verstand diese glühenden Kohlen schüren, werden sie zu einer großen leuchtenden Flamme werden.
Man muss allerdings unterscheiden zwischen der Form, die eine solche Initiative in der weiten Welt annehmen könnte, und wie sich die Angelegenheit im Innern, im Staate Israel entwickeln sollte. Und das aus verschiedenen Gründen:
1. Der Vorschlag an die nichtjüdischen Bewohner des Landes Israel, die Gebote der Kinder Noachs anzunehmen, muss von der Rücknahme ihrer Forderung nach einem separaten Nationalwesen im Lande Israel begleitet sein. Von seiten der Muslime bedeutet dies die Anerkennung ihrer Religion als die "dienstbare Tochter" des Judentums, aus dem sie hervor ging. Das bedeutet zwar eine theologische Änderung für den klassischen Islam, doch lassen sich dafür Fundamente in der moslemischen Tradition finden.
2. Maimonides unterscheidet zwischen einem Ben-Noach, der seine sieben Gebote vor einem Rabbinergericht akzeptiert und sie sorgsam befolgt, weil ihm dies seinem Glauben nach als religiöse Pflicht obliegt, und jenem, der sie akzeptiert, weil sie ihm nach "verstandesmäßiger Entscheidung" vernünftig erscheinen. Ersterer wird ein "Frommer der Völker" genannt, während der Zweite ein "Weiser der Völker" geheißen wird. Nach Rabbiner A.J.Kuk haben beide einen Anteil an der kommenden Welt, und es kann sein, dass der "Weise" sogar höher angesehen wird. Allerdings verleiht Maimonides nur dem "Frommen" den Titel des "Ger Toschaw", d.h. Besitzer der Berechtigung in unserem Lande zu wohnen, und nicht dem "Weisen". Den Grund dafür bedingt das Sicherheitsbedürfnis der Nation, das nur dann befriedigt wird, wenn die Treue des Fremden zu seiner Lehre speziell der religiösen Erkenntnis entspringt, die die verbindliche Anerkennung einer Autorität enthält, und nicht einer philosophischen Erkenntnis, trotz all ihrer Erhabenheit, weil eben die Befürchtung besteht, dass er das Gefühl hegen könnte, der israelischen Herrschaft zu nichts verpflichtet zu sein.
3. Zwar "gilt das Gesetz vom Ger Toschaw nur dann, wenn das Joweljahr abgehalten wird" [wenn alle Knechte freigelassen werden und alle Grundstücke an ihre ursprünglichen Eigentümer zurück kehren], doch scheint die Absicht dabei dahin zu gehen, dass wir nicht verpflichtet sind, zu ihrer Aufnahme die Entscheidung eines Rabbiner-Gerichtes zu verlangen, und selbst in dem Falle, wenn wir sie aufnehmen, wir nicht an die halachischen Pflichten der Sorge um ihr Wohlergehen gebunden sind, denn solange sich das Volk Israel nicht in seinem Idealzustand befindet, der z.B. im Abhalten des Joweljahres zum Ausdruck kommt, kann man von ihm nicht bindend die Fürsorge für eine andere Bevölkerung verlangen. Wenn wir uns allerdings freiwillig zu so einer Möglichkeit entscheiden, dann bedeutet das keinen Hinderungsgrund. Darüberhinaus gereicht es dem Volke Israel durchaus zur Ehre, wenn es sich um angemessene Behandlung auch für jemanden einsetzt, der nicht offiziell Bürger seines Staates ist.
Diese Gedanken mögen vielleicht fern von Realität und Verstand klingen zu einer Zeit, da wir uns in bitterer Auseinandersetzung mit unseren Feinden befinden, denen die Erfüllung selbst einfachster Pflichten menschlicher Moral fern liegt. Doch aus reichhaltiger Erfahrung wissen wir, dass die Geschichte viele Überraschungen birgt. Wollen wir nicht die Gunst der Stunde verpassen, das Wort G~ttes auch jene hören zu lassen, die unter unserer Hoheit stehen. Wenn wir wollen, ist es kein Märchen.